Kriminacht 2012

 

Quelle: Naumburger Tageblatt
Naumburger Kriminacht am Freitag, 13.04.2012

Siegesbewusst blickte Hussiten-Feldherr Andreas Prokop von Franz Müller-Münsters Kirschfest-Gemälde auf die aufmerksam lauschende Zuhörerschaft in der Aula der Alexander-von-Humboldt-Schule hernieder. Jürgen Zartmann berichtete indes im Saal über Niederlagen. Genauer gesagt über menschliche Tragödien, die vor dem Kadi endeten.
Gehörte doch der Schauspieler zu den Vorlesern, die während der jüngsten Auflage der vom Naumburger veranstalteten Naumburger Kriminacht mit ausgesuchten spannenden Storys um Verbrechen und ihre Aufklärung 70 Zuhörer in ihren Bann zogen. Und wer wäre als Interpret von Kriminalgeschichten besser geeignet als Jürgen Zartmann? Immerhin ist er nicht nur durch seine Interpretation von Rollen in Kinofilmen wie „Nelken in Aspik“, „Die Gerechten von Kumerow“ oder „Der Tangospieler“ bekannt, sondern auch als Kriminalist Manfred Bergmann in acht Folgen der Fernsehreihe „Polizeiruf 110“.
Doch während die auf dem monumentalen Ölschinken aus wilhelmischer Zeit dargestellten Kirschfestsage eine reine Erfindung ist – heute würde man sie wohl in die Rubrik touristischer Maketing-Gag einordnen – haben die von Zartmann vorgetragenen Geschichten aus dem 2009 bei Pieper erschienenen Erzählband „Verbrechen“ einen durchaus realen Hintergrund. Denn deren 1964 geborener Autor Ferdinand von Schirach ist nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Rechtsanwalt tätig. Das Buch, das 54 Wochen auf der Bestseller-Liste des „Spiegels“ stand, basiert auf Fällen aus seiner Kanzlei. Und die sind spannender und teiweise unglaublicher als viele erfundene Kriminalfälle.
So die Geschichte von einem alten Mann, der laut seiner telefonischen Selbstanzeige bei der Polizei „Ingrid kleingemacht hat“. Der angesehene freundliche Herr, Doktor der Medizin, erschlug nach 40 Ehejahren nicht nur seine Frau mit einer Axt, sondern zerteilte die Leiche auch noch in Stücke. Sein Geständnis war ebenso außergewöhnlich wie seine Strafe von drei Jahren Gefängnis, die er im offenen Vollzug verbüßen konnte.
Mit leichtem Grauen, aber auch manchem Lachen ob der unfreiwilligen Komik der geschilderten Situationen verfolgten die Gäste in der Aula die Entwicklung eines Studenten, der sich in eine Kellnerin verliebte. Die nötigte ihn, während der Hochzeitsreise in Ägypten zu einem Schwur ewiger Treue. Diesen Eid wollte und konnte der durch und durch konservative Mann trotz eines auch durch die Umwelt wahrgenommenen Ehe-Martyriums durch Scheidung nicht brechen, so dass sich der angestaute seelische Druck schließlich in einer Kurzschlußreaktion entlud.
Die Aula war übrigens nur einer der Schauplätze, an denen während der von Stadtführer Dietmar Gehlfuß historisch und Musiker Jürgen Perl musikalisch begleiteten Kriminacht über Verbrechen berichtet wurde. Fand doch der Auftakt in der Stadtbibliothek statt, wo Constanze Matthes und Chris Langner die Besucher mit Geschichten über Mord und Totschlag unterhielten. Seelische Abgründe offenbarten in der „Mitteldeutschen“, dem Vortragsraum von Tageblatt/MZ, im Wechsel auch Schauspielerin Kristine Stahl und ihre Kollege Thomas Freitag.

 

 

 

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