Auszug aus dem Naumburger Tageblatt vom 29.10.2015
In der Uta-Schule unterstützen Lesepaten des Naumburger Bürgervereins syrische Kinder, Deutsch zu lernen. Neue Helfer werden gesucht.
Von Constanze Matthes
Naumburg. Ein kleines Taschenbuch liegt vor Alan auf dem Tisch. Erich Kästners „Das Schwein beim Friseur“ mit Kindergeschichten. Der Achtjährige hat sich über das Buch gebeugt, liest Wort für Wort. Manchmal erklärt Monika Rietschel, die neben ihm sitzt, die Bedeutung. Ab und an nickt der Junge. Ab und an schmunzelt er auch. Alan ist Kurde. Seine Familie stammt aus Syrien. Seit dem Frühjahr geben Monika Rietschel und ihr Mann Andreas Alan sowie der neunjährigen Zekeyie, ebenfalls aus Syrien, besonderen Unterricht. Einmal in der Woche treffen sie sich in der Bibliothek der Naumburger Uta-Schule. Beide sind Lesepaten des Bürgervereins, eine besondere Initiative, mit der schon seit Jahren Grundschüler im Lesen unterstützt werden. Nun zählen dazu auch acht syrische Kinder der Uta-Schule, die von sechs Mentoren regelmäßig betreut werden. Die Lehrer, pädagogischen Mitarbeiter und Schulleiterin Steffi Karius sind froh über die besondere Unterstützung. „Sie nehmen diese Aufgabe unwahrscheinlich ernst“, sagt Steffi Karius. „Uns fehlt diese Zeit, die Kinder speziell zu betreuen. Es ist nicht leicht, sie in den regulären Unterricht einzubinden, weil sie nicht über die nötigen Kenntnisse unserer Sprache verfügen. Doch es ist schwierig für beide Seiten. Ich stelle mir vor, ich müsste im Klassenzimmer einer chinesischen Schule sitzen.“ Das Niveau und der Ehrgeiz seien bei den syrischen Kindern genauso unterschiedlich wie bei den anderen Mädchen und Jungen, schätzt die Schulleiterin ein. Doch sie helfen sich auch untereinander, erklärt ein Kind, das besser Deutsch kann, dem anderen die Wörter.
Zum Einsatz im Unterricht kommt spezielles Lern-Material für Deutsch als Fremdsprache. Ideal wären indes auch Laptops, mit denen man Lernprogramme nutzen könnte. Doch dafür benötigt die Schule Sponsoren sowie W-Lan, über das die Einrichtung in der Schönburger Straße noch nicht verfügt. Monika und Andreas Rietschel nutzen als Lesementoren Bücher, so auch Exemplare, die dank verschiedenfarbiger Silben das Lesen erleichtern und die sie aus der Bibliothek ausgeliehen haben. Hinzu kommen verschiedene Übungen. Dabei hatte das Ehepaar, 72 und 71 Jahre alt, seinen Einsatz als Lesementoren vor einiger Zeit bereits für beendet erklärt. „Doch Pfarrer Hans-Martin Ilse vom Forum Ehrenamt fragte uns, ob wir uns vorstellen könnten, syrischen Kinder zu helfen“, erzählt Andreas Rietschel. Und seine Frau blickt zurück: „Am Anfang war es schwierig. Wenn sie nicht wollten, dann wollten sie nicht. Aber mittlerweile ist ein Vertrauen zwischen uns entstanden, gibt es gute Kontakte zu den Eltern.“ Das Forum Ehrenamt, eine Initiative des Kirchenkreises und der Diakonie Naumburg-Zeitz, engagiert sich in der Flüchtlingshilfe und koordiniert den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer. „Wir haben den Kontakt zum Forum Ehrenamt gesucht und um Hilfe gebeten“, erzählt die Leiterin der Uta-Schule. Mit der steigenden Zahl an Flüchtlingskindern könnte auch die Nachfrage an weiteren Lesementoren steigen, meint Claudia Königsberg, die Koordinatorin des Lesepaten-Projektes im Bürgerverein: „Es wäre schön, wenn sich da interessierte Erwachsene bei uns melden.“
Einige Minuten vor dem Ende der besonderen Schulstunde werden Figuren auf ein Spielbrett gestellt, ein Würfel in die Hand genommen. Eine Runde „Mensch ärgere dich nicht!“ steht an. Die syrischen Kinder sprechen deutsch, nennen die Zahlen, manchmal fällt auch ein Schimpfwort, wenn der eine die Figur des anderen „rauswirft“. Wenn Zekeyie sauer auf einen ist, ruft sie laut „Mensch!“.
Weitere Informationen zum Lesementoren-Projekt telefonisch unter der Rufnummer:
0 34 45 / 2 61 89 60